Als Elternvertretung oder Schülerin/Schüler stoße ich immer wieder auf die Erfahrung, dass Schulgesundheitsversorgung als "nice to have" abgetan wird – bis ein Kind krank wird, chronische Probleme bestehen oder ganze Klassen wegen Infektionen ausfallen. Ich schreibe hier aus der Perspektive von Menschen, die nicht länger warten wollen und konkrete Schritte unternehmen, um Missstände sichtbar zu machen und Veränderung zu erzwingen. Das ist kein technokratischer Leitfaden, sondern ein praktischer, politischer Wegweiser, der zeigt, wie man von der Beobachtung zur erfolgreichen Intervention kommt.

Probleme klar benennen und dokumentieren

Der erste Fehler, den viele machen, ist zu glauben, dass Gefühle reichen: "Es ist ja klar, dass hier Hilfe fehlt." Nein. Entscheidungsträger reagieren auf Belege. Als Elternvertretung oder Schüler:in sammle ich daher konkrete Informationen:

  • Datum, Uhrzeit und Ort von Vorfällen (z. B. Schulunfall, fehlende Versorgung bei chronischer Krankheit, keine psychosoziale Beratung).
  • Zeug*innen: Namen von Lehrkräften, Eltern, Schulpersonal oder Mitschüler:innen.
  • Konkrete Folgen: Ausfallstunden, verpasste Prüfungen, erhöhte Krankmeldungen, Belastung von Familien.
  • Visuelle Belege: Fotos (wenn rechtlich zulässig), Kopien von Krankmeldungen, E-Mails und Protokolle von Elternabenden.
  • Diese Dokumentation bildet das Rückgrat jeder Beschwerde und jeder öffentlichen Kampagne. Ich archiviere alles digital und lege ein kurzes Dossier an, das die Situation in einem Satz zusammenfasst.

    Informelle Gespräche suchen

    Bevor ich groß aushole, suche ich das Gespräch mit der Schulleitung und der oder dem zuständigen Schulsozialarbeiter:in (falls vorhanden). Oft entstehen Missverständnisse durch Informationslücken. In diesem Gespräch halte ich mich an folgende Regeln:

  • Konkrete Beispiele nennen und das Dossier anbieten.
  • Nachfragen: Was ist der Grund für die fehlende Versorgung? Budget? Personal? Organisation?
  • Fragen nach kurzfristigen Maßnahmen: Kann die Schule eine Hygieneschulung organisieren? Gibt es Kooperationen mit dem Jugendgesundheitsdienst?
  • Wenn dieses Gespräch keine Verbesserungen bringt, notiere ich das Ergebnis schriftlich und bitte um eine Stellungnahme per E-Mail – das erzeugt Verbindlichkeit.

    Formelle Beschwerde einreichen

    Sollte die Schule nicht reagieren, wird die nächste Ebene das Schulamt oder das zuständige Ministerium für Schule und Bildung. Bei akuten Gefährdungen wende ich mich direkt an das Gesundheitsamt (Öffentlicher Gesundheitsdienst, ÖGD). In meiner Beschwerde beschreibe ich kurz und sachlich:

  • Wer betroffen ist (ohne sensible Daten offen zu legen).
  • Was konkret fehlt (z. B. regelmäßige Gesundheitschecks, Schulkrankenschwester, Präventionsangebote).
  • Welche Folgen das Fehlen der Versorgung hat.
  • Welche Maßnahmen ich erwarte und bis wann.
  • Ein klares Fristfenster (z. B. "Bitte um Rückmeldung bis zum ...") erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Antwort.

    Koalitionen bilden: Verbündete suchen

    Allein ist Veränderung schwerer. Ich suche gezielt Verbündete:

  • Weitere Elternvertretungen an der Schule oder in der Region.
  • Schülervertretungen (SV) – ihre Stimme wirkt politisch besonders stark.
  • Gewerkschaften wie GEW oder ver.di, die oft Expertise und Öffentlichkeitsarbeit leisten.
  • Gesundheitsinitiativen, lokale NGOs und Mieter:innengruppen – gemeinsame Forderungen haben mehr Gewicht.
  • Gemeinsame Aktionen sind wirkungsvoller: eine Unterstützerliste, eine Petition oder ein offener Brief, unterschrieben von Lehrer:innen, Eltern und Schüler:innen, erzeugt Druck.

    Öffentlichkeit herstellen

    Politik reagiert auf Aufmerksamkeit. Ich wähle sorgfältig die Mittel der Öffentlichkeit:

  • Lokale Presse: Zeitungen und Radiosender berichten häufig über Schulthemen. Ein kurzes, gut formuliertes Pressemail mit Fakten und Betroffenenstimmen reicht oft.
  • Soziale Medien: Instagram, Twitter/X oder Facebook ermöglichen schnelle Verbreitung. Hashtags, Fotos (mit Einverständnis) und kurze Videos von Betroffenen machen das Thema greifbar.
  • Petitionen: Plattformen wie change.org oder OpenPetition helfen, Unterstützer:innen zu mobilisieren. Ich kombiniere Petition und Medienarbeit für maximale Wirkung.
  • Wichtig: Emotionale Geschichten sind wirksam, aber ich achte darauf, die Privatsphäre von Kindern zu respektieren. Ein anonymer Erfahrungsbericht kann ebenso viel Druck erzeugen.

    Konkrete Forderungen formulieren

    Vage Kritik nützt wenig. Ich formuliere präzise Forderungen, z. B.:

  • Einrichtung einer festen Schulkrankenschwester oder -pflegerin für die Schule.
  • Regelmäßige Kooperation mit dem Jugendgesundheitsdienst (JGD) oder Gesundheitsamt.
  • Präventionskurse zu Hygiene, psychischer Gesundheit und Erste Hilfe für Lehrkräfte und Schüler:innen.
  • Finanzierung über das Land oder kommunale Mittel statt über Projektgelder.
  • Für jede Forderung nenne ich einen groben Zeitplan und mögliche Kostenquellen. Das zeigt, dass die Forderung umsetzbar ist und erleichtert politischen Debatten die Entscheidungsfindung.

    Mit rechtlichen Instrumenten arbeiten

    Wenn Behörden unwirksam bleiben, kann ich rechtliche Schritte erwägen:

  • Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) bzw. Landes-Transparenzgesetzen, um Haushalts- und Vertragsdaten zur Schulgesundheit einzusehen.
  • Rechtsberatung: Beratungsstellen der Arbeiterwohlfahrt, des Deutschen Kinderschutzbundes oder Gewerkschaften bieten oft kostenlose Erstberatungen.
  • Prüfung von Aufsichtswegen: Beschwerde bei der Schulaufsicht oder beim Ombudsmann des Landes.
  • Rechtliche Schritte sind kein Allheilmittel, schärfen aber häufig das Bewusstsein der Behörden für die Problemlage.

    Beispiel-E-Mail an das Gesundheitsamt (Vorlage)

    BetreffDringende Bitte: fehlende Schulgesundheitsversorgung an der [Name der Schule]
    AnliegenSehr geehrte Damen und Herren, wir wenden uns als Elternvertretung/Schülervertretung der [Name der Schule] an Sie. Seit [Zeitraum] fehlen an unserer Schule regelmäßige gesundheitsbezogene Angebote (z. B. Schulkrankenschwester, regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, psychosoziale Beratung). Die Folgen sind [kurze Aufzählung]. Wir bitten um Prüfung und Unterstützung bei der Einbindung des Gesundheitsamtes in Lösungen. Anbei finden Sie ein Dossier mit dokumentierten Fällen. Wir bitten um Rückmeldung bis zum [Datum]. Mit freundlichen Grüßen, [Name, Funktion, Kontaktdaten]

    Dranbleiben: Nachfassen und Mobilisieren

    Politik ist oft ein Marathon, kein Sprint. Ich vereinbare Follow-up-Termine, erinnere per E-Mail an unbeantwortete Anfragen und organisiere öffentliche Aktionen, wenn Stillstand droht: Informationsstände, Mahnwachen vor dem Schulamt oder gemeinsame Sprechstunden mit Abgeordneten. Jede gut dokumentierte Aktion erhöht die Chance, dass Mittel freigegeben oder langfristige Strukturen geschaffen werden.

    Ich habe erlebt, wie aus einer kleinen Beschwerde nach Monaten eine dauerhafte Lösung wurde: eine halbe Stelle für Schulgesundheit, Kooperation mit dem Jugendgesundheitsdienst und regelmäßige Präventionskurse. Entscheidend war, dass wir nicht nur Kritik übten, sondern konkrete, umsetzbare Forderungen stellten und Verbündete mobilisierten.

    Wenn Sie möchten, sende ich Ihnen gern eine anpassbare E-Mail- und Petitionvorlage oder helfe beim Aufbau eines Dossiers für Ihre Schule.