Leerstand ist nicht nur ein städtebauliches Ärgernis – er ist ein politisches und soziales Problem. Immer wieder sehe ich, wie leerstehende Wohnungen gleichzeitig für Menschen, die dringend Wohnraum benötigen, unerreichbar sind. In meiner Arbeit frage ich mich deshalb ständig: Welche rechtlichen Stellschrauben haben Kommunen wirklich, um Leerstand effektiv zu bekämpfen und leerstehenden Wohnraum wieder nutzbar zu machen? In diesem Artikel stelle ich die wichtigsten Instrumente vor, erkläre ihre Wirkungsweise, ihre Grenzen und wie sie in der Praxis genutzt werden können.

Warum Leerstand ein kommunales Problem ist

Leerstand wirkt sich auf die Nachbarschaften aus: Er führt zu Wertverlusten, schafft soziale Verwerfungen und blockiert dringend benötigten Wohnraum. Für Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt bedeutet jeder ungenutzte Quadratmeter eine verpasste Chance für bezahlbares Wohnen. Deshalb ist es sinnvoll, dass Kommunen aktiv werden – nicht nur mit Appellen, sondern mit rechtlichen Mitteln.

Wichtige rechtliche Instrumente der Kommunen

Auf kommunaler Ebene stelle ich in der Praxis immer wieder dieselben Instrumente fest, die – klug kombiniert – Wirkung entfalten können. Hier die wichtigsten:

  • Zweckentfremdungsverbot: Viele Bundesländer erlauben es Kommunen, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verbieten oder zu begrenzen. Das heißt: Die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen, Büros oder Spekulationsobjekte kann untersagt oder genehmigungspflichtig gemacht werden.
  • Leerstandssteuer / Zweitwohnungssteuer-Varianten: Manche Kommunen erheben Abgaben für dauerhaft leerstehende Wohnräume. Ziel ist es, Eigentümer zu motivieren, Wohnungen zu vermieten oder zu sanieren.
  • Vorkaufsrecht nach §24 BauGB (kommunales Vorkaufsrecht): Kommunen können bei Verkäufen von Grundstücken unter bestimmten Voraussetzungen ihr Vorkaufsrecht ausüben – etwa um die Wandlung in Eigentumswohnungen zu verhindern oder um sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen.
  • Bußgelder und Ordnungsrecht: Bei Verstößen gegen Zweckentfremdungsverbote oder Sanierungspflichten können Bußgelder verhängt werden.
  • Nutzungsgebote und Bindungen: Kommunen können im Rahmen städtebaulicher Verträge (z. B. soziale Zweckbindung, Mietpreisbindungen bei Neubau) Vereinbarungen treffen, die eine bestimmte Nutzung über längere Zeit sichern.
  • Erwerb von Immobilien durch kommunale Wohnungsunternehmen: Direkter Ankauf durch städtische Wohnungsbaugesellschaften ist wirksam, wenn genügend finanzielle Mittel und politischer Wille vorhanden sind.
  • Förderprogramme und Sanierungsangebote: Kommunen können Fördermittel bereitstellen, um die Sanierung leerstehender Objekte wirtschaftlich zu machen (z. B. Zuschüsse für energetische Sanierung oder barrierefreien Umbau).
  • Städtebauliche Instrumente: Durch Bebauungspläne, Innenentwicklung (Nachverdichtung), Umnutzungskonzepte und Sanierungssatzungen lässt sich Gestaltungs- und Nutzungszielsteuerung betreiben.
  • Wie diese Instrumente praktisch wirken

    Oft höre ich die Frage: „Reichen diese Instrumente allein aus?“ Die Antwort ist komplex. Jedes Instrument hat Stärken und Grenzen. Wichtig ist die Kombination.

    Das Zweckentfremdungsverbot wirkt gut gegen Ferienwohnungen und rein spekulative Leerstände. Allerdings braucht es eine behördliche Durchsetzung: regelmäßige Kontrollen, Meldesysteme und ein klares Bußgeldkonstrukt. Ohne Durchsetzung bleibt es ein Papiertiger.

    Die Vorkaufsrechte sind ein wichtiges Werkzeug, wenn eine Kommune über Mittel und bezahlbare Konzepte verfügt, um erworbene Objekte auch zu nutzen. Sonst droht, dass Vorkaufsrechte zwar ausgeübt, die Objekte aber nicht ausreichend nachhaltig bewirtschaftet werden.

    Eine Leerstandssteuer kann Druck auf Eigentümer erzeugen – sie funktioniert aber nur, wenn die Verwaltung den Leerstand zuverlässig ermittelt und die Steuer so bemessen ist, dass sie zur Handlungsentscheidung führt. Zudem kann sie rechtlich und politisch umstritten sein.

    Ein praktischer Überblick in Tabellenform

    Instrument Gesetzliche Grundlage / Praxis Wirkung Grenzen
    Zweckentfremdungsverbot Landesrechtliche Regelungen (variiert nach Bundesland) Verhindert Umwandlung in Ferienwohnungen, sichert Wohnraum Bedarf Kontrollen; Ausnahmen möglich
    Vorkaufsrecht §24 BauGB Ermöglicht städtischen Erwerb zur sozialen Nutzung Finanzmittel erforderlich; Bürokratie
    Leerstandssteuer Kommunale Satzung (in einigen Städten erprobt) Ökonomischer Druck auf Eigentümer Ermittlung schwierig; politisch umstritten
    Sanierungsförderung Kommunale Programme, KfW-Förderungen Ermöglicht wirtschaftliche Wiederinbetriebnahme Haushaltsmittel begrenzt

    Praxisbeispiele: Was funktioniert (teilweise) schon?

    Ich beobachte mehrere Städte, die in den letzten Jahren mutig waren. Berlin etwa hat das Zweckentfremdungsverbot konsequent angewandt – mit teils hohen Bußgeldern gegen Betreiber von Ferienwohnungen. Das hat sichtbare Wirkung gezeigt, auch wenn rechtliche Auseinandersetzungen folgten.

    Hamburg und München setzen stärker auf kommunale Akquise durch Wohnungsunternehmen und Vorkaufsrechte. In mehreren Fällen wurden so Gebäude dem freien Markt entzogen und in sozial gebundenen Wohnraum überführt. Die Kehrseite: Solche Käufe sind teuer und erfordern klare politische Prioritätensetzung.

    Konkrete Schritte, die Kommunen jetzt setzen können

  • Datenbasis schaffen: Regelmäßige Leerstandserhebung ist die Grundlage für jede Maßnahme. Ohne Daten laufen Maßnahmen ins Leere.
  • Rechtliche Regelungen prüfen und anpassen: Zweckentfremdungsverbote schaffen, Vorkaufsrechte aktiv nutzen und Satzungen für Leerstandsstrafen erwägen.
  • Partnerschaften etablieren: Kooperation mit Genossenschaften, kommunalen Wohnungsunternehmen und zivilgesellschaftlichen Initiativen erleichtert schnelle Wiedernutzung.
  • Fördern statt nur bestrafen: Kleine Zuschüsse zur Sanierung können den Unterschied machen — vor allem bei denkmalgeschützten oder energetisch sanierungsbedürftigen Objekten.
  • Bürgerbeteiligung ermöglichen: Meldestellen für Leerstand, Transparenz über Vorkaufsfälle und Beteiligung bei Umnutzungen schaffen Akzeptanz.
  • Wie ich als Lokalaktivistin und Journalistin vorgehe

    In meiner Arbeit verbinde ich Recherche mit direktem Austausch vor Ort. Ich frage Bürgermeister·innen, Stadtplaner·innen und Betroffene: Wo klemmt die Umsetzung? Oft sind es nicht die Gesetze, die fehlen, sondern Personal, politische Priorität und Transparenz. Deswegen setze ich mich dafür ein, dass Kommunen nicht nur Instrumente benennen, sondern auch klare Umsetzungspläne mit Zeithorizont vorlegen.

    Außerdem halte ich es für wichtig, dass Initiativen vor Ort Musterkonzepte entwickeln: z. B. eine kommunale Förderlinie für Quick-Fixes, damit leerstehende Wohnungen kurzfristig für Geflüchtete, Studierende oder Alleinerziehende nutzbar gemacht werden können. Solche pragmatischen Lösungen reduzieren Druck und zeigen schnell Wirkung.

    Was Bürgerinnen und Bürger tun können

    Als Bewohner·in kannst du mehr tun, als viele denken:

  • Leerstand melden — viele Städte haben Online-Meldesysteme.
  • Sich in lokale Wohninitiativen oder Bündnisse einbringen, um Druck auf die Politik aufzubauen.
  • Bei Vorkaufsfällen Öffentlichkeit herstellen — das kann politischen Willen mobilisieren.
  • Mit genossenschaftlichen Projekten oder Mietshäuser-Syndikaten vertraut machen; sie sind oft gute Partner für langfristige soziale Bindungen.
  • Instrumente allein lösen das Wohnungsproblem nicht. Aber sie sind mächtige Hebel, wenn sie konsequent, finanziell unterlegt und in enger Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteuren eingesetzt werden. Als Journalistin und Aktivistin bleibe ich dran: Es geht darum, rechtliche Möglichkeiten zu kennen, ihre Grenzen offen zu benennen und gemeinsam praktikable Wege zu entwickeln, damit leerstehende Wohnungen wieder lebendige, bezahlbare Heimaten für Menschen werden.