Als beschäftigte:r mit Anspruch auf Niedriglohn weiß ich, wie hart es ist, mit wenig Geld über die Runden zu kommen und gleichzeitig genug Energie für den Job und das Privatleben zu haben. In den letzten Jahren habe ich mich intensiv mit Strategien beschäftigt, wie Beschäftigte durch betriebliches Engagement konkrete Lohnsteigerungen erreichen können. In diesem Text teile ich meine Erfahrungen, praktische Schritte und konkrete Argumente, die im Betrieb funktionieren – damit du nicht allein bleibst und weißt, wie man Druck aufbaut, solidarisch handelt und realistische Erfolge erzielt.

Warum betriebliches Engagement wirken kann

Betriebliches Engagement ist kein Symbolakt: Wenn Kolleg:innen organisiert, Forderungen klar formuliert und öffentliche Aufmerksamkeit hergestellt wird, spüren Arbeitgeber den Druck. Lohnpolitik ist im Kern Machtpolitik – und Macht entsteht durch Solidarität, Organisation und gute Argumente. Ich habe immer wieder erlebt, dass Arbeitgeber eher auf konzertierte Aktionen reagieren als auf einzelne Einzelgespräche. Dazu kommen rechtliche und tarifliche Hebel, die man kennt und strategisch nutzt.

Prüfe deine rechtliche und tarifliche Lage

Bevor du in Aktion trittst, verschaffe dir Klarheit:

  • Gibt es einen Tarifvertrag? Ist dein Betrieb tarifgebunden oder gibt es einen branchentarifvertrag, den dein Arbeitgeber anwendet? Tarifverträge bringen oft Mindestentgelte, die du einfordern kannst.
  • Gibt es einen Betriebsrat? Ein Betriebsrat kann wage- und lohnpolitisch mitbestimmen, Betriebsvereinbarungen aushandeln und bei Ungleichbehandlung unterstützen.
  • Hast du Anspruch auf Zuschläge? Schichtzuschläge, Überstundenvergütung, Zulagen für bestimmte Tätigkeiten – das macht oft mehrere Hundert Euro aus.

Wenn du unsicher bist, hol dir Info-Materialien von Gewerkschaften wie ver.di, IG Metall oder Dienstleistungsgewerkschaften, oder suche Beratung bei einer kostenlosen Arbeitsrechtsberatung in deiner Stadt. Das kostet oft nur Zeit, kann aber die beste Vorbereitung sein.

Schritt-für-Schritt: Wie ich eine Lohnsteigerung durch betriebliches Engagement durchsetze

Aus meinen Erfahrungen hat sich folgender Fahrplan bewährt:

  • 1. Informieren und Verbünden: Sprich mit Kolleg:innen, die das gleiche Problem haben. Mach Einzelgespräche, sammel konkrete Fälle (z. B. Vergleichsgehälter, Arbeitszeitaufwand, Belastung).
  • 2. Fakten sammeln: Rechne vor: Wie viel mehr Netto bringt eine Lohnerhöhung? Wie wirkt sich ein höherer Stundenlohn auf Fluktuation, Kranktage und Motivation aus? Zahlen machen Druck.
  • 3. Betriebsrat und Gewerkschaft einbeziehen: Lade den Betriebsrat zu einem Treffen ein. Wenn kein Betriebsrat existiert, setze auf Gewerkschaftsarbeit: Mitglied werden, Unterstützung anfordern, Kolleg:innen mobilisieren.
  • 4. Forderung klar formulieren: Nenne konkrete Forderungen (z. B. +2 Euro/Stunde, Einführung einer Stufe im Entgelt, Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Lohnuntergrenze).
  • 5. Öffentlichkeit und Transparenz: Interne Flugblätter, eine Unterschriftenliste, Fotos bei Aktionen, lokale Presse oder Social Media (Twitter/X, Instagram, lokale Facebook-Gruppen) – Sichtbarkeit erhöht den Druck.
  • 6. Verhandlungen vorbereiten: Vereinbare ein Gespräch mit der Geschäftsführung, bringe Zahlen, Beispiele und Unterstützung durch Gewerkschaften mit. Forderungen mit Zeitrahmen versehen.
  • 7. Eskalationsplan: Wenn Gespräche nichts bringen: Kundgebungen, Warnstreiks (wenn gewerkschaftlich getragen), Boykottmaßnahmen im Betrieb oder Öffentlichkeitsaktionen vor der Filiale zielen darauf ab, Kosten für das Ausbleiben einer Einigung zu erhöhen.

Argumente, die bei Arbeitgebern ziehen

Bei Gesprächen mit Führungskräften helfen ökonomische, moralische und praktische Argumente:

  • Reduzierte Fluktuation: Höhere Löhne senken Recruiting-Kosten und Einarbeitungsaufwand.
  • Produktivität und Motivation: Mitarbeitende, die nicht ständig nebenbei arbeiten müssen, sind konzentrierter und seltener krank.
  • Öffentliches Image: Unternehmen, die faire Löhne zahlen, verbessern ihr Ansehen – relevant für Kund:innenbindung.
  • Konkurrenzfähigkeit: In Branchen mit Fachkräftemangel sind faire Löhne Teil der Wettbewerbsfähigkeit.

Konkrete Aktionsformen, die funktionieren

Aus meiner Praxis sind einige Aktionsformen besonders wirkungsvoll:

  • Unterschriftensammlungen – intern und extern. Sie zeigen, wie viele Menschen die Forderung tragen.
  • Informationsveranstaltungen – mit Gewerkschafter:innen, Expert:innen oder Betroffenen, um das Thema zu bündeln und Presseinteresse zu wecken.
  • Öffentliche Kundgebungen – gut, wenn lokale Medien eingeladen werden. Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte.
  • Tag der Aktionen – koordinierte, kurze Aktionen in mehreren Filialen/Betriebsstätten erhöhen die Wirkung.
  • Arbeitsniederlegungen/Warnstreiks – nur in Absprache mit der Gewerkschaft; sehr wirksam, aber rechtlich und organisatorisch anspruchsvoll.

Beispiele aus der Praxis

In einem Betrieb, in dem ich aktiv war, haben wir eine Kombination aus Unterschriftenaktion, Pressearbeit und einem Gespräch mit der Geschäftsführung genutzt. Wir forderten eine verbindliche Betriebsvereinbarung zur Lohnuntergrenze. Nach sechs Wochen Verhandlungen und einer Presseberichterstattung stimmte die Geschäftsführung einer gestaffelten Erhöhung zu – beginnend mit 1,50 € mehr pro Stunde und einer weiteren Erhöhung nach einem Jahr, gekoppelt an eine Reduktion prekärer Befristungen.

Maßnahme Wirkung
Unterschriftensammlung Signalisiert Rückhalt; schafft Gesprächsgrundlage
Pressearbeit Erhöht externen Druck; verbessert Verhandlungsposition
Verhandlungsrunde mit Betriebsrat & Gewerkschaft Formale Verbindlichkeit; rechtliche Absicherung

Tipps für sensible Situationen

Manchmal drohen Arbeitgeber mit Sanktionen oder versuchen, Aktive einzuschüchtern. So bin ich damit umgegangen:

  • Dokumentieren: Alle Gespräche und Vereinbarungen schriftlich festhalten.
  • Sichtbarkeit erhöhen: Je mehr Kolleg:innen involviert sind, desto geringer die Gefahr individueller Repression.
  • Rechtliche Beratung: Bei Drohungen Rechtsberatung einholen; oft hilft schon ein Schreiben der Gewerkschaft.
  • Verbündete außerhalb: Kund:innen, lokale Bündnisse und politische Akteure einbinden, um zusätzlichen Schutz zu schaffen.

Was tun, wenn es nicht voran geht?

Wenn Verhandlungen stocken, lohnt es sich, die Strategie zu überdenken: Mehr Öffentlichkeit? Größere Koalitionen? Eine formalere Forderung über Tarifverhandlungen oder eine breitere Initiative mit anderen Betrieben? Manchmal ist eine kurzfristige Niederlage der Startpunkt für eine breitere Kampagne, die langfristig mehr erreicht.

Ich habe gelernt: Erfolge kommen selten über Nacht. Sie entstehen durch Beständigkeit, gute Vorbereitung und die Bereitschaft, auch unpopuläre Schritte zu gehen – immer mit Blick auf die Solidarität unter Kolleg:innen. Wenn du willst, kann ich dir helfen, eine Checkliste für euren Betrieb zu erstellen oder Beispieltexte für Unterschriftenlisten und Pressemitteilungen zu formulieren. Gemeinsam sind wir stärker – und faire Löhne sind erreichbar.