Warum eine kommunale Wohnraumabgabe nötig ist

Private Spekulant·innen treiben vielerorts die Mieten in die Höhe, weil leerstehende Wohnungen, Umwandlungen in Ferienappartements und rasanter Weiterverkauf oft mehr Profit bringen als langfristige Vermietung. Ich sehe das täglich in Gesprächen mit Mieter·inneninitiativen und in Recherchen: Quartiere verändern sich nicht nur sozial, sie verlieren ihre demokratische Zugänglichkeit.

Eine kommunale Wohnraumabgabe kann hier ein wirksames Instrument sein. Sie wirkt direkt an der Stelle, wo Spekulation stattfindet: bei Eigentümer·innen, die Wohnungen bewusst entziehen, leerstehen lassen oder in renditeträchtige Investmentobjekte umwandeln. Richtig gestaltet, zwingt die Abgabe zum Umlenken — hin zu Vermietung, Renovation für den Bedarf vor Ort oder Verkauf an Kommunen und Genossenschaften.

Was ist eine Wohnraumabgabe konkret?

Kurz gesagt: Eine städtische Abgabe, die fällig wird, wenn Wohnraum nicht dem sozialen Wohnungsmarkt zur Verfügung steht. Das kann verschiedene Formen haben:

  • Leerstandsabgabe — für dauerhaft ungenutzte Wohnungen
  • Umwandlungsabgabe — bei Umwandlung von Miet- in Eigentums- oder Ferienwohnungen
  • Spekulationsabgabe — bei kurzfristigen Weiterverkäufen oder bei hoher Renditeerwartung
  • Wichtig ist, dass die Abgabe taktiert: sie soll abschrecken, nicht primär Einnahmen maximieren. Gleichzeitig braucht es klare Ausnahmen (z. B. bei nachweislicher Renovierung, Erbwohnsitze oder in Härtefällen), damit legitime Gründe nicht in die Steuerfalle rutschen.

    Mein Berechnungsmodell für deinen Bezirk

    Damit eine kommunale Wohnraumabgabe funktioniert, braucht es transparente Regeln und ein einfaches Berechnungsmodell. Ich stelle hier ein Modell vor, das ich mit Aktivist·innen und kommunalen Haushältern diskutiert habe. Du kannst es für deinen Bezirk adaptieren — die Variablen sind leicht austauschbar.

    Variablen des Modells:

  • V = Verkehrswert der betreffenden Wohnung (Marktwert in Euro)
  • L = Leerstandsdauer in Monaten (ab dem 6. Monat greift die Abgabe)
  • U = Umwandlungsfaktor (1 = keine Umwandlung, 2 = Umwandlung in Eigentum oder Feriennutzung)
  • S = Spekulationsfaktor (abhängig von Weiterverkaufsfrist in Jahren; z. B. 0,5 bei >5 Jahren, 2 bei <2 Jahren)
  • r = Basisabgabequote (z. B. 0,5% pro Monat des Verkehrswerts bei Leerstand)
  • Formel (monatliche Abgabe):

    Abgabe = V × r × L × U × S

    Beispielrechnung

    Angenommen eine Wohnung hat einen Verkehrswert von 250.000 €, steht seit 12 Monaten leer, wird nicht umgewandelt und der Verkauf des Objekts ist angestrebt (kurze Besitzdauer). Wir wählen r = 0,5% (0,005), U = 1, S = 2 (hoher Spekulationsfaktor).

    Variable Wert Erklärung
    V 250.000 € Verkehrswert
    L 12 Monate Leerstandsdauer
    U 1 keine Umwandlung
    S 2 hoher Spekulationsfaktor
    r 0,005 (0,5%) Basisabgabequote

    Rechnung:

    Abgabe = 250.000 × 0,005 × 12 × 1 × 2 = 30.000 € (monatlich kumuliert über das Jahr betrachtet)

    Das heißt: der Besitz könnte, wenn die Abgabe monatlich erhoben wird, über das Jahr eine Belastung in dieser Höhe erzeugen — ein starker Anreiz, die Wohnung wieder zu vermieten oder an eine gemeinwohlorientierte Akteurin zu verkaufen.

    Warum das Modell wirkungsvoll ist

    1) Es setzt am Marktwert an: Hohe-Werte-Immobilien, die oft im Fokus von Investor·innen stehen, werden stärker belastet. Das ist gerecht, weil dort die Renditeerwartung hoch ist.

    2) Der Leerstand beginnt erst ab einem definierten Schwellenwert zu greifen (z. B. nach 6 Monaten). Das verhindert, dass kurzfristige Renovierungen oder Umzugszeiten zu Unrecht bestraft werden.

    3) Durch den Spekulationsfaktor werden kurzfristige Handelsstrategien teuer — wer nach 1–2 Jahren weiterverkauft, zahlt deutlich mehr als eine langfristig orientierte Eigentümerin.

    Rechtliche und administrative Voraussetzungen

    Eine kommunale Abgabe benötigt eine solide gesetzliche Grundlage. Viele Städte setzen auf kommunales Satzungsrecht, das in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet ist. Wichtige Schritte:

  • Prüfung der kommunalrechtlichen Kompetenzen durch eine Rechtsabteilung
  • Festlegung transparenter Meldepflichten für Eigentümer·innen (z. B. Meldepflicht für Leerstand)
  • Einrichtung eines Verfahrens zur Prüfung von Härtefällen
  • Digitale Datengrundlage: Kataster, Energieausweis-Register, Melderegister-Abgleich
  • In Gesprächen mit Kommunalverwaltungen hat sich gezeigt: Eine gut vorbereitete Satzung ist durchsetzbar, wenn sie klar definiert ist, rechtssichere Ausnahmen enthält und parallele Maßnahmen (Förderung von Genossenschaftskäufen, Vorkaufsrecht, kommunale Erwerbsfonds) bereitstehen.

    Wie du das Modell für deinen Bezirk anpasst

    So gehst du vor, wenn du die Abgabe lokal einführen willst:

  • Ermittle den durchschnittlichen Verkehrswert (Vavg) und die Verteilung der Werte in deinem Bezirk.
  • Bestimme eine realistische Basisquote r — viele Initiativen schlagen 0,25–1% pro Monat vor; für erste Schritte ist 0,5% politisch anschlussfähig.
  • Definiere Schwellen für L (z. B. Abgabe ab Monat 6) und Staffelungen für S (z. B. S=0,5 bei >5 Jahren Besitz; S=1 bei 2–5 Jahren; S=2 bei <2 Jahren).
  • Erarbeite Ausnahmen und ein transparentes Prüfverfahren.
  • Einfaches Excel-Sheet oder Google-Sheet reicht für die Berechnung: Spalten für Adresse, Verkehrswert, Leerstandsmonate, Umwandlung, Besitzdauer und die automatisch berechnete Abgabe. Das kann als Nachweis gegenüber Ratsmitgliedern und der Öffentlichkeit dienen.

    Praktische Erfahrungen aus Aktionen

    Bei einer Aktion in meiner Stadt haben wir exemplarisch zehn leerstehende Immobilien erfasst und die mögliche Abgabe simuliert. Die Simulation allein veränderte die Verhandlungsposition: Eigentümer·innen kamen schneller auf uns zu, um Vermietungslösungen oder Verkauf an kommunale Träger zu verhandeln. Das ist kein Wunder: Spekulant·innen kalkulieren mit Kosten — d.h. Transparenz schafft Druck.

    Wenn du mit deiner Initiative so eine Berechnung anpacken willst, unterstütze ich gern mit einer Vorlage für dein Bezirks-Spreadsheet und einem Muster-Satzungsentwurf, den wir zusammen an lokale Gegebenheiten anpassen können.