Prekäre Befristungen zerstören Existenzen. Als Politikwissenschaftlerin und Gewerkschaftsnahe Aktivistin sehe ich täglich, wie befristete Arbeitsverträge Menschen in Ungewissheit, finanzielle Not und sozialer Isolation halten. In diesem Artikel erkläre ich, warum befristete Verträge Arbeitnehmer:innen ruinieren und welche Vertragstexte sofort geändert werden sollten — mit konkreten Formulierungsvorschlägen, die Beschäftigten mehr Schutz und Perspektive geben können.
Warum Befristungen so schädlich sind
Eine Befristung bedeutet weit mehr als ein Ablaufdatum: Sie ist ein permanenter Druckfaktor. Wer nicht weiß, ob der Vertrag in sechs oder zwölf Monaten verlängert wird, kann kaum ein Wohnungsmietverhältnis langfristig planen, einen Kredit bekommen oder Kinderbetreuung sicherstellen. Das erzeugt Stress, gesundheitliche Probleme und mindert die Verhandlungsmacht gegenüber dem Arbeitgeber.
Aus eigener Recherche und durch Gespräche mit Betroffenen weiß ich: Befristungen treffen besonders Frauen, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und junge Berufseinsteiger:innen. Arbeitgeber nutzen befristete Verträge oft, um Kosten zu sparen, Tarifbindung zu umgehen oder Personalflexibilität auf Kosten der Beschäftigten zu erhöhen. Kettenbefristungen — mehrere befristete Verträge hintereinander — sind dabei ein besonders perfides Instrument.
Rechtlicher Hintergrund kurz erklärt
In Deutschland sind Befristungen grundsätzlich möglich, aber je nach Grund streng geregelt: Es gibt sachgrundlose Befristungen (bis zu zwei Jahre mit maximal drei Verlängerungen) und sachgrundbegründete Befristungen (z. B. Vertretung, Projektarbeit). In der Praxis werden Lücken ausgenutzt, unsaubere Formulierungen verwendet oder Befristungen so gestaltet, dass die “echte” Dauerarbeit verschleiert wird. Genau hier müssen Vertragsformulierungen greifen.
Welche Vertragstexte sofort verbessert werden sollten
Ich empfehle, bei den folgenden Klauseln genau hinzusehen und diese — wenn möglich — zu fordern oder anzufechten. Unten finden Sie konkrete Alternativformulierungen, die in vielen Fällen helfen, Unsicherheit zu reduzieren:
- Dauer und Verlängerung: Vermeiden Sie vage Formulierungen wie „Befristet bis auf Weiteres“ oder „verlängerbar nach Absprache“. Fordern Sie stattdessen klare Kriterien und Fristen.
- Begründung der Befristung: Bei sachgrundlosen Befristungen (nach Teilzeit- und Befristungsgesetz) sind die Voraussetzungen eng. Bei sachgrundbegründeten Befristungen müssen die Gründe konkret im Vertrag stehen — nicht allgemein.
- Übernahmeklausel: Bitten Sie um eine verbindliche Übernahmeklausel nach Projektende bzw. eine bevorzugte Berücksichtigung bei offenen Stellen.
- Arbeitszeit- und Vergütungsklarheit: Unklare Angaben zu Arbeitszeitmodellen, Schichtzulagen oder Überstundenregelungen sind gefährlich. Bestehen Sie auf klaren Stundenkonten und Vergütungsregelungen.
- Kettenbefristungsbegrenzung: Fordern Sie Limitierungen für Verlängerungen oder eine automatische Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach X Monaten/Jahren.
- Sozialleistungen und Tarifbindung: Verlangen Sie die Anwendung von Tarifverträgen oder zumindest punktuelle Gleichstellung bei Urlaub, Entgeltfortzahlung und betrieblicher Altersvorsorge.
Konkrete Formulierungsvorschläge
Diese Musterformulierungen können als Grundlage dienen — am besten zusammen mit rechtlicher Beratung an den Arbeitgeber herangetragen oder als Änderungswunsch bei Vertragsunterzeichnung eingebracht werden.
- Konkrete Befristungsbegründung: „Der Arbeitsvertrag ist befristet bis zum [Datum] zur Vertretung von Frau/Herrn [Name] aufgrund von Elternzeit/krankheitsbedingter Vertretung.“
- Übernahmeklausel: „Sollte innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf dieses Vertrages eine vergleichbare unbefristete Stelle im Betrieb/derselben Gesellschaftsgruppe entstehen, wird die Arbeitnehmer:in vorrangig berücksichtigt.“
- Kettenbefristungsbegrenzung: „Eine Verlängerung dieses Vertrags ist maximal zweimal um jeweils höchstens sechs Monate möglich. Ab Überschreitung von 24 Monaten wird der Vertrag automatisch in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis überführt.“
- Transparenz bei Arbeitszeit und Überstunden: „Arbeitszeit: [x] Stunden/Woche. Überstunden sind gesondert zu vergüten oder durch Freizeit auszugleichen. Überstunden sind schriftlich zu dokumentieren und dürfen 10% der vertraglich vereinbarten Wochenarbeitszeit pro Monat nicht überschreiten.“
- Gleichstellung bei Sozialleistungen: „Die Arbeitnehmer:in erhält dieselben Sozial- und Zusatzleistungen (Urlaub, bAV, vermögenswirksame Leistungen) wie vergleichbare unbefristet Beschäftigte im Betrieb.“
Beispiel-Tabelle: Vorher — Nachher
| Problemklausel | Verbesserte Klausel |
|---|---|
| „Befristet bis auf Weiteres; Verlängerung möglich.“ | „Befristet bis zum [Datum]. Verlängerungen nur nach schriftlicher Vereinbarung und maximal zweimal um jeweils 6 Monate.“ |
| „Arbeitszeit nach betrieblichen Erfordernissen.“ | „Arbeitszeit: 35 Stunden/Woche; Änderungen sind mit einer Frist von 4 Wochen schriftlich zu vereinbaren.“ |
| „Vorbehalt einer späteren Übernahme.“ | „Vorbehalt eine bevorzugten Übernahme: bei vergleichbaren Stellen wird die Arbeitnehmer:in innerhalb von 3 Monaten vorrangig berücksichtigt.“ |
Was Betroffene jetzt tun können
Wenn Sie selbst betroffen sind: Dokumentieren Sie jedes Verlängerungsgespräch, speichern Sie E-Mails und fordern Sie schriftliche Vertragstexte ein. Wenden Sie sich an Ihre Gewerkschaft oder an eine Rechtsberatung (z. B. DGB Rechtsschutz oder unabhängige Beratungsstellen). In vielen Fällen lässt sich durch ein klärendes Gespräch oder eine formale Nachverhandlung bereits viel erreichen.
Wenn möglich, schließen Sie sich mit Kolleg:innen zusammen. Kollektive Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber sind wirksamer als Einzelgespräche. Betriebsräte können viel erreichen — falls es keinen gibt, sollten Beschäftigte die Bildung eines Betriebsrats in Erwägung ziehen.
Politische Forderungen, die ich unterstütze
- Abschaffung oder drastische Einschränkung sachgrundloser Befristungen.
- Begrenzung von Kettenbefristungen und automatische Entfristung nach einer definierten Dauer.
- Recht auf Übergangsregelungen (z. B. bevorzugte Übernahme, Verlängerungsbegrenzungen).
- Stärkung der Tarifbindung und Sanktionen für Umgehungsmodelle (Werkverträge, Leiharbeit).
- Bessere Informationspflichten für Beschäftigte vor Vertragsunterzeichnung.
Ich schreibe nicht nur über Probleme — ich mache auch Politikarbeit: In lokalen Bündnissen, in Kampagnen für Arbeitsrechte und in Kooperation mit Gewerkschaften kämpfen wir für faire Regeln. Wenn Sie Erfahrungen mit befristeten Verträgen haben oder konkrete Vertragsformulierungen prüfen lassen möchten, schreiben Sie mir. Gemeinsam können wir Druck aufbauen und dafür sorgen, dass Verträge Menschen schützen statt ausbeuten.