Wenn ich eine lokale Aktion plane, ist mein oberstes Ziel klar: Sichtbarkeit für die Forderungen schaffen, aber keine Eskalation, die unsere Botschaft verrauscht oder Menschen gefährdet. In den letzten Jahren habe ich unzählige Demonstrationen, Kundgebungen und kreative Aktionen begleitet — von Mietprotesten vor Stadtverwaltungen bis zu solidarischen Blockaden vor Konzernzentralen. Dabei habe ich gelernt: Medienaufmerksamkeit ist planbar, Polizeieinsatz oft vermeidbar — wenn wir strategisch, solidarisch und verantwortungsvoll handeln.
Warum mediale Aufmerksamkeit ohne Eskalation wichtig ist
Medienwirksamkeit bedeutet nicht automatisch Radikalität. Ein gewaltloser, gut vorbereiteter Protest kann empathische Geschichten, klare Forderungen und visuelle Momente liefern, die in Berichterstattung hängenbleiben. Polizeiliche Eskalation dagegen lenkt die Aufmerksamkeit auf Konflikte, kriminalisiert Bewegungen und macht unsere Inhalte zu Nebensache. Deshalb plane ich Aktionen so, dass sie die Öffentlichkeit ansprechen, ohne Provokation zu suchen.
Frühzeitig planen — und mit Verbündeten sprechen
Gute Aktionen starten Wochen, manchmal Monate vor dem Ereignis. Ich beginne mit drei Fragen: Was ist die Kernforderung? Wen wollen wir erreichen (Öffentlichkeit, Politiker:innen, eine bestimmte Firma)? Welche Form der Aktion passt zur Forderung (Kundgebung, Sit-in, Kunstaktion, Straßentheater)?
Dann baue ich ein Bündnis auf: lokale Initiativen, Gewerkschaften, Mieter:innen, Gesundheits- oder Bildungsfachleute. Ein breites Spektrum erhöht Legitimität und Medieninteresse. Außerdem verteile ich Aufgaben: Kommunikation, Logistik, Recht, Sanitätsdienst, Social Media, Fotografie. Rollen klar zu definieren reduziert Chaos vor Ort und verhindert unbeabsichtigte Konfrontationen.
Erlaubnisse und rechtliche Vorbereitung
So oft höre ich: "Wir müssen spontan sein, dann sind wir authentisch." Wahrheit ist: Spontaneität ohne Abklärung endet meist in Polizeieinsatz. Ich beantrage Versammlungen, rede mit der Stadt, kenne die örtlichen Regelungen. Das zeigt Verantwortungsbewusstsein — und ist oft Voraussetzung für ruhige Verhandlungen mit Behörden vor Ort.
Gleichzeitig organisiere ich Rechtsberater:innen und Rechtshilfeteams, die vor Ort erreichbar sind. Legal Observers (juristische Beobachter:innen) dokumentieren Vorgänge; Telefonnummern für Rechtshilfe gehen an alle. Dieses Zwei-Säulen-Modell — Erlaubnis + rechtliche Absicherung — schützt Teilnehmende und macht es schwieriger, eine Aktion zu kriminalisieren.
Nicht-gewaltsames Training und Deeskalation
Ich organisiere Trainings für gewaltfreien Widerstand und Deeskalation. Teilnehmende lernen Handzeichen, wie sie ruhig auf Provokationen antworten und wie sie bei Festnahmen agieren. Es reicht oft, eine Person pro Gruppe mit Deeskalationsaufgabe zu benennen: freundlich, aber bestimmt kommunizieren, Aufforderungen der Polizei dokumentieren und eskalierende Situationen kanalisiert ansprechen.
Visuelle und journalistische Vorbereitung
Medien brauchen Bilder, Stories und Quellen. Mein Rezept für mediale Aufmerksamkeit:
Sprachregelungen und Sprecher:innen
Ich bestimme 1–2 offizielle Sprecher:innen und brief sie intensiv. Ihre Aufgabe: die Botschaft prägnant, empathisch und mit Fakten zu transportieren. Alle anderen Teilnehmenden erhalten eine kurze Kommunikationsrichtlinie: Was sagen wir in Interviews? Welche Forderungen sind non-negotiable? Einheitliche Sprache vermeidet widersprüchliche Darstellung in Medien.
Social Media als Verstärker — und als Monitor
Ich nutze Social Media strategisch: Live-Streams, Teaser-Videos in Stories, kurze O-Töne, Hashtags. Gleichzeitig überwache ich Reaktionen, sodass wir falsche Narrative schnell korrigieren. Ein zentraler Social-Media-Account, der vor Ort Content verifiziert, ist entscheidend. Tools wie TweetDeck, Later oder Buffer helfen beim Planen von Posts.
Sicherheit hat Vorrang
Polizeiliche Eskalation lässt sich nicht immer verhindern. Daher organisiere ich vor jeder Aktion:
Dialog mit Polizei und Stadt
Ich pflege Gespräche mit der Polizei — auch wenn wir inhaltlich oft kritisch sind. Ein regelmäßiger Austausch reduziert Missverständnisse: Wir teilen die Route, geschätzte Teilnehmer:innengröße, besonders geschützte Bereiche und Termine. Wenn wir zeigen, dass wir friedlich und organisiert sind, reduzieren wir das Risiko von Eskalationsstrategien wie massiven Räumungseinsätzen.
Mediale Timing-Strategie
Timing beeinflusst Berichterstattung massiv. Ich plane Aktionen so, dass sie mit relevanten Terminen korrespondieren: Haushaltsdebatten, Stadtratssitzungen, Gerichtsentscheidungen oder Jubiläen von Missständen. Journalistische Kalender mit Fristterminen kenne ich: Mittwochs sind Städte-Journalist:innen oft erreichbar, print-Redaktionen holen sich bis donnerstags Stoff.
Der Einsatz von Kunst und Humor
Kreative Aktionen lockern die Stimmung, schaffen Symbolkraft und sind schwer zu kriminalisieren: Flashmobs, Straßentheater, innere "Wohnungs-Tour" mit überdimensionalen Schlüsselrepliken oder eine symbolische "Mietpreisbremse" aus Pappe. Humor hilft, komplexe Themen zu vermitteln und macht gute Bilder. Ich habe erlebt, wie ein gut platzierter Song oder eine skurrile Installation bundesweite Berichterstattung anstoßen kann.
Dokumentation und Nachbereitung
Vor Ort dokumentieren wir professionell: Fotograf:innen, Videoteam, Social-Media-Stream. Nach der Aktion verschicken wir Pressemitteilungen mit Ergebnissen, Zitaten und Bildern. Medienfreundliche Nachbereitung erhöht die Chance auf Nachberichterstattung und hilft, unsere Forderungen im öffentlichen Diskurs zu verankern.
Praktische Checkliste
| Bestandteil | Erledigt |
| Permits / Anmeldung | Ja / Nein |
| Sprecher:in brieft | Ja / Nein |
| Pressekit vorbereitet | Ja / Nein |
| Deeskalations-Training durchgeführt | Ja / Nein |
| Sanitätsdienst organisiert | Ja / Nein |
| Legal Observers bereit | Ja / Nein |
| Social Media Plan | Ja / Nein |
| Fotograf:innen/Videoteam | Ja / Nein |
| Fluchtwege/ Treffpunkte festgelegt | Ja / Nein |
Wenn wir unsere Aktionen mit Respekt, Kreativität und Verantwortung planen, schaffen wir Medienmomente, die unsere Forderungen sichtbar machen — ohne Gewalt, ohne unnötige Konfrontation. Ich lade euch ein, diese Prinzipien in eure nächste Aktion zu integrieren und gerne eure Erfahrungen mit uns zu teilen, damit wir gemeinsam lernen und wachsen.